Der alleinige Ansatz, den für Begriff "Kurzgeschichte lediglich die Textlänge als zu definierendes Merkmal zu verwenden, führt zu einem Irrtum. Daher will ich im folgenden ein paar wesentliche Merkmale der Kurzgeschichte aufführen:
Kurzgeschichten sind eine literarische Kurzform mit feststehender Gliederung in Einleitung, Höhepunkt und Schluß, wobei die Einleitung meist sehr kurz gefaßt ist und Höhepunkt und Schluß oft zusammenfallen. Sie sind durch den einfachen Aufbau mit nur einem oder wenigen Spannungsbögen gekennzeichnet. Die Kurzgeschichte ist meist auf ein zentrales Thema, eine These oder einen Effekt hin konstruiert. Die Einleitung beginnt gewöhnlich mit einem wichtigen Ereignis ohne eine groß ausgearbeitete Vorgeschichte. Man spricht dabei von einem direkten Einstieg. Der Schwerpunkt liegt in der Regel auf der bloßen Handlung, begleitende Erklärungen fallen oft weg.
Typisch für die Kurzgeschichte ist das offene Ende oder die Pointe als überraschende Wende zum Schluß des Textes. Gewöhnlich sind Kurzgeschichten in sich abgeschlossen.
Bis zu dreissig Seiten können eine Kurzgeschichte umfassen, wenngleich sie meist kürzer gehalten sind. Darüber hinausgehende Texte bezeichnet man als "Novelle", soweit sie nicht dem "Roman" entsprechen.
Weiteres Merkmal der Kurzgeschichte ist die inhaltliche Alltagsbezogenheit, die sich sowohl situativ als auch in der Sprache zeigt. Damit setzt die Kurzgeschichte Identifikationsangebote für den Leser.
Kurzgeschichten entstanden als short stories im Bereich der anglo-amerikanischen Literatur (z. B. Edgar Allan Poe) und setzten sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Deutschland durch. Bekannte Deutsche Autoren von Kurzgeschichten sind zum Beispiel Wolfgang Borchert, Heinrich Böll, Hans Bender, Wolfdietrich Schnurre, Marie Luise Kaschnitz.
Geschichte der Kurzgeschichten:
Bereits in der Romantik wurden kurze Texte, quasi Kurzgeschichten, gerne geschrieben. Wichtige Autoren der Zeit ab 1800 waren E.T.A. Hoffmann (Die Fermate, 1815; Rat Krespel, 1817; Das Fräulein von Scuderi, 1820), Achim von Arnim (Fürst Ganzgott und Sänger Halbgott, 1818), Theodor Körner (Die Harfe, 1811), Friedrich Rochlitz (Der Besuch im Irrenhause, 1804) oder auch Heinrich von Kleist (Die heilige Cäcile, 1810, Das Erdbeben in Chili). Hier vermischte sich die Kurzgeschichte mit inhaltlich anders definierten Erzählungen wie der Kriminalgeschichte, der phantastischen Erzählung, der Musikererzählung oder der Künstlernovelle.
Stilprägende Kurzgeschichten
Besonders die Kurzgeschichten von Edgar Allen Poe prägten den Stil der Kurzgeschichte entscheidend: Reduktion auf ein zentrales Ereignis, klare - aber keineswegs einfache - Erzähltechnik, oft mit Rahmung und zeitlichen Vor- und Rückgriffen, galten als definierende Elemente der Kurzgeschichte.
Mit seinen phantastischen, grausigen und skurrilen Erzählungen wurde Poe zum "Schöpfer der Kurzgeschichte": Der Mord in der Rue Morgue (1841), Hopp-Frosch (1849), Die Maske des Roten Todes (1842), Der stibitzte Brief (1845), Das Gebinde Amontillado (1846).
Neben Poe verfasste Nathaniel Hawthorne zahlreiche stilprägende Kurzgeschichten. In Frankreich ist hier Guy de Maupassant zu nennen, in Russland Nikolai Gogol.
Die Kurzgeschichte seit 1900
Die Form der Kurzgeschichte ist und bleibt entscheidend geprägt von der amerikanischen short story. Autoren wie Mark Twain, Ernest Hemingway, Henry James, William Somerset Maugham oder Thomas Wolfe sind hier zu nennen. In der Nachkriegssituation in Deutschland benutzten die Autoren der "moralischen Generation" wie Heinrich Böll, Wolfgang Borchert und Günter Eich gern die Form der Kurzgeschichte, weil sie ideologisch nicht problematisch war. Gerade in dieser Zeit hatten zahlreiche Anthologien amerikanischer Kurzgeschichten auf dem deutschen Markt großen Erfolg.
Seither erschienen zwar große Mengen von Kurzgeschichten in der deutschen Literatur, beispielsweise von Wolfgang Hildesheimer, Siegfried Lenz oder Ilse Aichinger.
Online-Quellen: http://www.wissen.de/xt/default.do?MENUNAME=Homepage und http://www.teachsam.de/deutsch/glossar_deu_sitemap.htm