Hallo Dora,
hier nun der längst versprochene Versuch, mich inhaltlich mit Deinem Gedicht näher zu beschäftigen und auszudrücken, was die einzelnen Bilder mir im Ansatz zu bedeuten mögen:
Um mich vorzutasten, schaue ich mir kurz Metrik- und Reimschema an. Du wählst den Kreuzreim, wobei "nährten - bewehrten" kein wirklich gelungener Reim für meine norddeutschen Ohren ist. Dieser hält sich auch über die getrennt stehende "vierte" Strophe aufrecht, schafft somit die Verbindung zwischen den Zeilen.
Mein Herzbaumnest hielt stets sein Bild
In Träumen sanft umschlungen
Bis lichtgespickte Frühlingsmild’
Den Liebesdamm bezwungen.
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Hier bin ich nun nach mehrmaligen Lesen unsicher geworden, ob es nicht doch "bezwangen" heissen müsste, da das bezwungen das "haben" verlangte? Die Aussage dieser Strophe scheint mir recht schlüssig: Das lyr. Ich hat sein sein Bild in das Herzbaumnest verbannt. Das vermittelt mir Alter, Abschied, Abschluss mit der Hoffnung, mehr als dies Bild zu erreichen. Doch die Frühlingsmilde vertreibt diese Stimmung und durchbricht den Traum zum Leben. War die Liebe zu ihm bisher passiv und ohne Erfüllung, wird nun dieser abschirmende Damm bewzungen.
Diamantenblick und Feuerhand
Die Schlangenhoffnung nährten
Um sie in Schmetterlingsgewand
In Zahlen zu bewerten.
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Der bereits angesprochene Metrikwechsel betont die Zuwendung zum Erleben gegenüber dem bisherigen nur Träumen. Die Hoffnung wird allerdings mit Schlange tituliert, erhält also hier bereits einen Beigeschmack des falschen, listig-hintertückschen. Es werden wohl sein Diamantenblick und die Berührung seiner Hand, Hitze erzeugend, gewesen sein, was die Hoffnung schürte. Statt still in sich zu ruhen, versucht das lyr. Ich nun die Liebe zu erreichen und das Geschehen zu bewerten. Die Genügsamkeit tauscht mit dem Gefühl des nicht genug bekommens.
In Asche und in Herzgestein
Gefangen – Eiserwachen
Gestützt auf sprödes Traumgebein
Und seelenloses Lachen
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In dieser Strophe meine ich, wird die Enttäuschung des lyr. Ich's noch offensichtlicher. Gerade das "Eiserwachen" symbolisiert für mich als Gegensatz zur Vorherigen Hitze die Erkenntnis des Alleingelassensein. Der Traum hat sich nicht erfüllt, ist nur noch "Gebein", also totes Wünschen. Das "seelenlose Lachen" würde ich dem Liebsten zuordnen, dem es an inniger Zuwendung für das lyr. ich mangelt.
Pflück ich den frischen Phoenixtraum
Um bildlos nun ihn fortzutragen
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Die letzten beiden Zweizeilter kommen frischer daher, als die vorangegenanen Vierzeiler. Das liegt wohl auch an der Erhöhung der Silbenzahl - das gedrungene düstere Element wird so aufgehoben. Phoenix, der im Alter verbrannte und verjüngt aus seiner Asche wieder auferstand, spiegelt hier die Wiedergeburt des Traumes. Das lyr. Ich erstarrt nicht im Schmerz, sondern versucht sich erneut daran, zu träumen. Das Pfücken macht diese Entscheidung zu einem aktiven, gewollten und positiv bewerteten Akt. Allerdings bleibt der Traum "bildlos", ohne festgelegte inhaltliche Erwartung.
Beflügelt bunter Lebensbaum,
Im Sturmflug auf, zu neuen Tagen!
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Diese letzten beiden Zeilen bekräftigen die positive Lebenseinstellung des lyr. Ich. Es reisst sich selbst in einer Euphorie fort, gewillt sich dem Leben zu stellen.
Mehr wage ich nicht, zu formulieren, da vieles im Innern zwar erfühlt, mir aber unaussprechlich scheint. Ich bin unverändert mehr als hingerissen von Deinen Formulierungen.
Lieben Gruß
Nina