ich möchte euch hier meinen absoluten lieblingsfilm vorstellen, in skino kam er 2001 und wenn man glück hat, kann man ihn manchmal auf arte sehen. ich werd mal schauen, ob ich ein cover finden kann.

Interessant ist es, wenn ausgerechnet ein Film, bei dem es kein Drehbuch gibt, ausgezeichnet wird für sein Drehbuch. So geschehen beim Max Ophüls Festival 2001 - Stefan Jäger erhielt den Drehbuchpreis für “Birthday”, einen Film der ohne ausgearbeitetes Buch enstanden ist, nur auf der Grundlage eines vagen Treatments.
Vor Beginn der Dreharbeiten, die übrigens gerade mal zehn Tage gedauert haben, gab es also nur ein grobes Handlungskonzept: Vier Freunde, Bibiana, Tamara, Harald und Claudio halten ihr Jugendversprechen, sich nach vielen Jahren wieder zu treffen, um gemeinsam ihre dreißigsten Geburtstage zu feiern. Vier Freunde, vier Parties, vier Stationen, während derer wir die Figuren kennenlernen, etwas über ihr Leben erfahren und ihre Beziehungen zueinander. Unterbrochen ist diese Abfolge durch einen dramaturgischen Kniff: Der Film beginnt mit dem letzten der vier Geburtstage - Bibianas - und sie scheint ihre Ankündigung wahrgemacht zu haben, sich umzubringen zu wollen, wenn sie dreißig ist. Während der Film in Rückblenden die Geschichte der anderen Geburtstagstreffen rekapituliert, beginnt ein Wettlauf um Leben und Tod.
Regisseur und Autor Stefan Jäger hatte die Idee zu diesem Film tatsächlich um seinen dreißigsten Geburtstag herum. Statt zu feiern wollte er mit Freunden einen Film drehen, ohne viel Aufwand, möglichst spontan. In einem Brief hat er herumgefragt, wer mitmachen möchte, vier Schauspieler hatten schon zugesagt und dann ging es los. Die Grundkonstellation war klar, mit jedem Schauspieler wurde die Biografie der Figur entwickelt, vorgeschriebene Dialoge gab es nicht, eine Auflösung erst recht nicht, stattdessen wurden die Räume so ausgeleuchtet, dass die Schauspieler möglichst viel Freiheit hatten.
Diese Arbeitsweise hat die Jury des Max Ophüls Festivals so überzeugt, dass sie Regisseur und Autor Stefan Jäger mit dem Drehbuchpreis ausgezeichnet haben. In der Begründung heißt es, dass Jäger mit diesem Film an Godards Vision vom “Schreiben mit der Kamera” erinnert - der Film entsteht im Prozess des Spielens. Tatsächlich ist die Entstehungsgeschichte von “Birthday” hochspannend, vielleicht sogar interessanter als der Film selbst.
Denn neben aller formalen Experimente bleibt die Frage, was wird uns erzählt? Wir erfahren fragmentarisch vom Leben vierer Menschen, wobei der Focus vor allem auf der Figur liegt, die etwas Unglaubliches tun will - Bibiana will sich ohne Not das Leben nehmen. Für den Film hat das vor allem eine Funktion: Es treibt die Handlung ungemein voran und erzeugt Spannung, psychologisch nachvollziehbar wird es jedoch nicht. Ein Schockeffekt entsteht, allerdings fehlt die Motivation, was den Schock in den Verdacht der Effekthascherei bringt. Trotz dieser Unzulänglichkeit verfehlt das Ganze nicht seine Wirkung. Der Film beschäftigt einen, versteht es phasenweise zu fesseln und überzeugt vor allem durch die Leistung der Schauspielerinnen und Schauspieler.
Bibiana Beglau, Tamara Simunovic, Claudio Caiolo und Harald Koch haben sich auf ein ungewöhnliches Experiment eingelassen. Wer sich wiederum als Zuschauer auf das Experiment dieses Films einläßt, wird am Schluß mit Sicherheit irritiert sein, vielleicht auch ein wenig verstört, auf jeden Fall aber begeistert von der schauspielerischen Leistung.
lg
sonnenschein