Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden  
Bitte unter www.dichterplanet.com neu anmelden!!!

Liebe Mitglieder von Dichterplanet.de.vu. Unsere Community hat sowohl ein neues Forum als auch eine neue Domain:
Dichterplanet.com.
Wir würden euch bitten, euch dort neu anzumelden und so fleißig zu beteiligen, wie ihr es im alten Forum bereits getan habt.
Beachtet bitte das neue Regelwerk! Das alte Forum bleibt euch als Archiv bestehen.

MFG, Euer Team von Dichterplanet.com / Dichterplanet.de.vu


Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 5 Antworten
und wurde 596 mal aufgerufen
 Kurzgeschichten
nathschlaeger Offline

Letterntheoretiker

Beiträge: 38

07.03.2005 22:02
CAIO - Absturz Antworten

Das schlimmste war der Peitschenknall gewesen, gefolgt von dem nervösen Klappern, das so klang wie ein Lastwagen, der über eine alte Holzbrücke fuhr. Das war übler als der plötzliche Drift des Lear Jets nach Backbord. Dieser besonders wütende, hell rollende Knall und das metallische, furchtsame Geklapper signalisierten, dass Sicherheit und Ordnung gerade im Begriff waren, sich völlig aufzulösen.
Eben sah Caio noch müßig aus dem großen Bullauge des Firmenjets, blies sich eine gebleichte Strähne aus der Stirn, nippte an seinem dritten Glas Wodka Bitterlemon und genoss den Anblick der Schatten, die die Schönwetterwolken unter sich auf das Meer warfen, als sich die beschauliche Ruhe in Chaos verwandelte. Ein durchdringender, elektrischer Geruch breitete sich aus und gleich darauf folgte dieses elende, nervöse Klappern von Teilen, die eigentlich nicht klappern sollten. Schon gar nicht in einem Flugzeug, das im Sinkflug über dem Atlantik auf Fuertoventura war. Nicht, wenn dieser Jet noch in der Luft war, hoch über dem Meer. Die Quarzanzeige über der Tür zum Cockpit zeigte, dass sie sich in einer Höhe von knapp einem Kilometer befanden. Caio war genauso wenig angeschnallt wie der Mann, der ihm diese Reise ermöglicht hatte, und so wurde er aus seinem breiten Sessel geschleudert, stieß sich die Knie am Tisch an, der vor ihn auf dem Boden festgeschraubt war und dann den Kopf an der Armlehne eines Sessels auf der anderen Seite des Durchgangs und heulte auf; eher überrascht als wirklich verletzt. Das Flugzeug kippte in einer übelkeiterregenden Kurve nach Backbord und als Caio auf die Sitzgruppe kletterte und zum Bullauge hinaussah, da sah er keinen Himmel mehr sondern nur noch Wasser, dass aus dieser Höhe wie gebürsteter Chrom aussah.
Aus dem Cockpit schrie ein Mann laut auf, eine andere Stimme gab SOS Daten an den Tower auf Fuertoventura durch. Lichtbögen zuckten aus einer Schalttafel und es stank durchdringend nach verschmorten Isolationen. Alle möglichen Geräte schrieen Alarm, es piepste, heulte und wimmerte von allen Seiten. Das Flugzeug machte einen bockigen Satz, und dann kam dieses grässliche, reißende Geräusch, als ein gut drei Meter langes Stück aus der linken Tragfläche gerissen wurde und vom Flugzeug wegtrudelte wie ein treuloser Vogel, der den Schwarm verließ.
Das Triebwerk auf dieser Tragfläche explodierte mit einem machtvollen, hohlen Knall, die Sicherheitsventile schlossen die Kerosinzufuhr und die Flammen erstickten. Das änderte jedoch nichts daran, dass der Jet in einer engen Kurve, die Caio zu Boden presste, fast sturzflugartig abstürzte. Und das war das Stichwort: Einer der Piloten schrie mit mädchenhaft hoher Stimme: „Kontrollierter Absturz, um Himmels Willen, Jim, kontrollierter Absturz, fang sie ab, fang sie ab!“
Im gleichen Moment sprangen die Abdeckklappen in der Innenverkleidung über den Passagiersitzen auf und die Sauerstoffmasken schlängelten heraus wie boshafte Schachtelmännchen: Wir wissen, dass es euch dreckig geht. Und wir kommen nur raus um euch daran zu erinnern, dass es jetzt echt beschissen wird, Freunde.
Der Schock wich und Caio spürte wie er sich anmachte. Das war nicht heldenhaft und Caio war zu jung um sich über Heldenmut und nasse Jeans in einem abstürzenden Flugzeug ernsthafte Gedanken zu machen. Caio war achtzehn Jahre alt und hatte eigentlich nichts anderes vor, als die Zeugnisprämie zu verpulvern, die ihm seine Eltern gezahlt hatten.
Im Lear Jet der Firma, für die der besten Freund seines Vaters als Manager arbeitete, ein paar Drinks nehmen und dann auf Fuertoventura surfen, saufen und mit netten Jungs flirten und wenn es denn sein sollte, auch rumvögeln. Was das betraf, war sich Caio nicht ganz sicher. Er hatte zwei Verluste zu verkraften, die ihm sehr nahe gingen. Und ob er in dieser Phase der Heilung schon wieder bereit war, sich ganz und gar den Begierden eines fremden Jungen hinzugeben, war mehr als fraglich. Eher sogar unwahrscheinlich.
Und jetzt sah es so aus, als würde er hier in diesem abstürzenden Flugzeug sterben. Es fiel geradezu auseinander, brüchig wie das Versprechen eines Junkies.
Tomas Santiago flog drei oder viermal im Jahr nach Fuertoventura, um dort eines der Werke der Firma zu inspizieren. Da gab es Managementsitzungen und Präsentationen wurden ausgetauscht, Männer und Frauen in sündteurer Designerkleidung liefen wie aufgescheuchte Hühner herum, bewaffnet mit Tablet PCs und Minihandys. Da trafen sich die Werksdirektoren der Niederlassungen in aller Welt, salbaderten herum und verplemperten die restlichen Tage ihrer Anwesenheit auf Fuertoventura mit Jetski, Drinks und Schäferstündchen. Tomas Santiago sprach von diesen Meetings gerne abfällig. Caio vermutete allerdings, dass Santiago dies augenzwinkernd meinte, um ihm zu signalisieren, dass er eigentlich ein patenter Kerl sei: „Ich bin cool, schau nur, wie ich über diese Fuzzis lästere. Ich bin cool und auf deiner Seite, Kumpel.“
Die Meetings waren der Grund, den Tomas Santiago offiziell angab. Dass er diese Flüge auch nutzte, um einem winzigen Drogenkartell, dass weitgehend unabhängig von den kriminellen Organisationen auf dem Festland arbeitete, Kokain aus Montana zu bringen, das erfuhr Caio, als er auf dem Mittelgang Richtung Cockpit robbte und Tomas Santiago plötzlich schwankend vor ihm stand. Das Flugzeug schlingerte wie ein kleines Boot bei hoher See, bockte und sprang herum aber Tomas Santiago hielt sich auf den Beinen. Was für ein Mann.
Caio schaute von den Füßen hoch und hinauf in das Gesicht des Mannes, den es augenscheinlich wesentlich schlimmer erwischt hatte als ihn selbst. Das Gesicht war eine zerschnittene, graurote Masse von Fleisch, Knorpeln und Haut. Und aus irgendeinem Grund schien dieser Mann noch zu leben. Sein Hemd war völlig blutdurchnässt, der Unterkiefer war mehrfach gebrochen und das rechte Auge war irgendwie aus der Höhle geploppt und hing an einem merkwürdigen, verdrillten Geflecht aus Adern und Sehnen und Muskeln.
Die Sirenen heulten auf, zu dem erst einsamen Klappern loser Tragflächenteile gesellte sich jetzt metallisches Kreischen. Es klang so, als ob das Flugzeug, der Korpus, strukturelle Schäden hätte. Die Geräusche kumulierten zu einer polyphonen Apokalypse. Caio schrie heiser, als er Tomas Gesicht sah und rappelte sich auf. Und bevor er etwas sagen konnte, kam dieses Kreischen von völlig überlastetem Metall und die Plastikverkleidung brach auf wie eine eitrige Wunde. Und dahinter sah Caio Kabelstränge reißen, blendende Lichtbögen und einen blauen Fleck. Nein, das war kein blauer Fleck sondern ein Stück vom Himmel, das durch einen Riss in der Außenhülle sichtbar geworden war.
Caio kreischte mit sich überschlagender Stimme: „Wir sterben hier, verdammte Scheiße ich will nicht krepieren, Hilfe!“
Tomas Santiago taumelte auf ihn zu und packte ihn am Arm: „Du musst nach hinten. Dort ist die Rettungsinsel. Es gibt… es gibt da eine Sache, die du… du musst wissen…“
„Was? Reden sie, Mann!“
Santiago wandte sich ab und hetzte an Caio vorbei zum Heck der Maschine.
Caio sah ihm geschockt nach. Dann riss er sich zusammen und taumelte ihm nach. Wie viel Zeit haben wir noch um Gottes Willen, wie viel Zeit bleibt uns noch bis… Er dachte an das hysterische Kaninchen in: 'Alice im Wunderland'. Caio fühlte sich ins Wunderland versetzt, ihm fehlte nur noch die Uhr und er könnte rufen: „Keine Zeit, keine Zeit…“ Minuten. Er dachte fiebrig: ‚Bestenfalls noch Minuten; da schwirren die Teile davon, es klappert und brennt.’
„Das Päckchen, du musst es auf Fuertoventura… hörst du? In der Rettungsinsel ist ein Päckchen mit drei Kilo Kokain, du musst es… die töten sonst meine Familie und…“
„Was? Scheiße, Mann… Kokain? Was, wie, was haben sie mit Koks zu tun? Gott der Gerechte wird sie ficken, sie dämlicher alter Hurensohn…“
Dann schnitt sich erneut dieses nervtötende Kreischen und Reißen in den allgemeinen Lärmbrei und plötzlich war da kein Heck mehr. Und auch kein Tomas Santiago. Caio klammerte sich an eine Sitzreihe, ungefähr fünf Meter von dem klaffenden Loch entfernt und fing an hysterisch zu weinen. Er wischte sich die Augen trocken und sah das Heck des Flugzeugs davontrudeln. Er bildete sich ein, für eine Sekunde noch die winkende Gestalt von Tomas Santiago im wegdriftenden, abgerissenen Heck zu sehen.
Das Flugzeug war nur noch knapp dreihundert Meter über dem Wasser und die Geschwindigkeit erschien ihm wesentlich langsamer.
In den in der Zugluft flatternden und klappernden Kabeln und Blechteilen, in all dem sirrenden Plastik, sah Caio einen großen roten Griff, der noch intakt schien. Er bewegte sich darauf zu, indem er sich von Reihe zu Reihe hantelte und sich dann an den Griff klammerte. Darunter war ein Schild. Er las die erste Zeile, sah aus dem Augenwinkel auf den Abgrund einen Meter weiter und sah, dass er bereits den Schaum auf den Wellen wahrnehmen konnte. In diesem Moment war er vollkommen gelassen, fast so, als hätte er mit seinem Leben abgeschlossen. Er dachte, er würde so etwas wie Reue empfinden. Oder Trauer. Vielleicht auch nur ein Gefühl, das man empfinden könnte, wenn man umfassende Antworten in greifbarer Nähe wähnte. Keine Antworten, kein Prall, kein Spiel. Nur treulose Technik, die sich auflöste und ihn dem Tod überantwortete.
Ein Licht? Ein Tunnel? Lichtgestalten?
Da war nichts. Um ihn herum zerfiel das Flugzeug und eine leise und ruhige Stimme sagte zu Caio Franks: „Wenn du diesen gottverdammten fünfzehnten Juli 2036 überleben willst, dann musst du aus dem Flieger, bevor er auf dem Wasser aufschlägt. Also jetzt!“
Das Kaninchen plärrte fröhlich: „Keine Zeit, keine Zeit!“
Caio wusste nicht, wie er einen Absprung überleben sollte. Er würde auf der Wasseroberfläche aufschlagen wie auf Beton. Die Luft heulte und kreischte um ihn herum, zerrte an ihm, als ob sie Finger hätte, Hände, mit denen sie ihn packen konnte. Das Flugzeug machte einen bockigen Satz nach links und genau das war es, was Caio das Leben rettete. Er dachte jetzt gerade nicht an die Piloten, kein bisschen. Aber es schien so, als hätte der Mann am Steuer verzweifelt versucht, diese fliegende Ruine in eine stabile Lage zu bringen, bevor sie auf der Wasseroberfläche aufschlug. Caio wurde herumgerissen und zerrte dabei an dem roten Hebel. Irgendwo im aufgerissenen Bauch des Flugzeugs ertönte ein hysterisches Piepen und eine dumpfe Vibration sank in Caios Füße ein. Das Brummen endete mit einem dumpfen Knall und plötzlich kippte der Teil der Wand weg, an der sich der rote Griff befand. Caio hielt sich reflexartig an dem Griff fest und kippte mit in das tiefe Blau der Welt außerhalb.
Was dann geschah, sah er nicht, weil er die Augen fest zusammen kniff und sich auf grässliche Schmerzen vorbereitete. Einen körperzerstampfenden Aufprall beispielsweise.
Was geschah, ist in wenigen Worten erzählt: Unter dem herausgesprengten Teil blies sich eine Rettungsinsel auf. Der zweimeterfünfzig mal ein Meter große Metallteil, an den sich Caio klammerte, als er die zweihundert Meter hinabtrudelte, beinhaltete einen Notfallschirm, der sich sofort nach Betätigung des Hebels öffnete. Gleichzeitig blies sich die sechs Meter durchmessende Insel aus gelben Plastik auf.
Die Technik beruhte auf einer Entwicklung aus dem Jahre 2004, als man neue Sicherheitstechniken für Fährschiffe entwarf. Das war nicht nur eine Insel, auf der man im Meer treiben konnte. Das war wesentlich mehr. Das war die Luxusausführung für Manager, die bedauerlicherweise einen Flugzeugabsturz er- und überleben mussten.
Der Fallschirm entfaltete sich im Bruchteil einer Sekunde und bremste den Sturz so abrupt ab, dass Caio mit dem Kopf auf die Metallfläche knallte und das Bewusstsein verlor. Unter ihm quoll die Plastikinsel auf, ein Verdeck baute sich auf und die Insel landete weich auf den Schaumkronen des Atlantiks, fast zweihundert Meilen vor Fuertoventura. Der Metallteil, der den Kompressor für die Rettungsinsel beinhaltete und auch die Insel selbst, sank in den neun gebildeten Boden ein und bildete eine gerade Fläche.
Während das Wasser ungerührt an das gelbe, noch fabriksneu riechende Plastik klatschte, blies sich mithilfe eines zweiten Kompressors der Dachteil der Rettungsinsel auf und eine Funkboje wurde ausgeworfen. Die Boje war mit einem fünf Meter langen Kabel mit der Rettungsinsel verbunden, hatte oberhalb des Schwimmers ein weißrotes Positionslicht und begann sofort seine Arbeit. Es blinkte und versuchte, Funksignale abzusetzen. Was aber nicht funktionierte. Der Sender war völlig durchgeschmort und unbrauchbar.

2


Inmitten der rauchenden und glosenden Trümmer trieb die gelbe Rettungsinsel langsam Richtung Süden. Es war keine Strömung zu spüren, es war windstill und die See war spiegelglatt. Caio lag am gelben Wulst, hatte sich zusammengerollt und die Faust unter das Kinn gestützt. Um ihn herum versanken glühende Metallteile zischend und dampfend im Meer, verschmorte Plastikteile dümpelten an der Oberfläche und der Himmel war unbewölkt und grenzenlos. Das Flugzeug selbst war rund eine Meile weiter ins Meer gestürzt und mit ein paar durchdringenden Explosionen zerborsten.
Die Todesangst hatte Caio zutiefst erschöpft. Und jetzt, knapp zwei Stunden nach dem Absturz fühlte er sich zwar körperlich einigermaßen in der Lage, seine Situation zu prüfen, blieb aber zusammengerollt in der Ecke liegen und knabberte an seinem Daumennagel. Er hatte die Augen fest geschlossen und wagte nicht, sie zu öffnen.
Es könnte unerfreulich sein, was er sehen würde, wenn er sie öffnete. Sein Körper brannte und tat weh, als ob er mit Fausthieben traktiert worden wäre. Die Platzwunde an seiner rechten Schläfe war blutverkrustet und Caio dachte daran, sich später umzusehen, ob es hier irgendwo einen Erste Hilfe Kasten gab. Aber zuerst mal wollte er sich gar nicht bewegen. Kein bisschen.
Die Stille war zuerst ein Labsal für seine vibrierenden Nerven. Nach all dem Krach und Getöse, nach dem übel riechenden Zischen und Prasseln der verschmorten Plastikteile, breitete sich Stille aus. Caio empfand sie als tröstlich, denn nichts gemahnte an Vergänglichkeit. Doch jetzt, wieder eine Stunde später, rappelte sich Caio auf und summte eine Fernsehmelodie. Ihm viel nicht ein, zu welcher Serie sie gehörte, war aber sicher, dass es die Titelmelodie einer Fernsehserie war.
Er betäubte die Stille. Denn wenn er aufhörte zu summen, hörte er nicht einmal das Gluckern von Wasser an der Außenhaut der Insel. Caio rieb sich die Augen und dann wagte er es. Er sah sich um. Bestandsaufnahme. Fang bei dir selbst an, riet er sich. Gut.
Er streckte seine Beine aus. Tat weh, ging aber. Er drehte die Füße wie er es im Sportunterricht für Dehnungsübungen gelernt hatte. Knackte, ging aber. Dann drehte er den Kopf von links nach rechts und zurück. Auch das war kein Problem. Er spürte, dass ihm der Brustkorb wehtat, wenn er tief Luft holte. Er versuchte es noch mal. Ja, und da war es wieder, ein kleines hässliches Quietschen. Caio wurde blass. Ihm wurde flau im Magen. Bitte keine gebrochenen Rippen, ja? Die kann ich jetzt wirklich nicht brauchen.
Er stand auf und tastete sich ab. Ihm wurde kurz schwindlig und kotzübel, ihm wurde für Sekunden schwarz vor den Augen. Dann fing er sich und setzte die Überprüfung fort. Gebrochen schien nichts zu sein. Wenn irgendetwas war, dann vielleicht nur angeknackst. Ein bisschen überdehnt oder so. Caio hatte das Gefühl, soweit in Ordnung zu sein. Ein bisschen durchgebeutelt aber intakt. das war ja schon mal gut. Sein nächster und längerer Blick galt dem Inneren der Rettungsinsel. Er schätzte ihre Größe ein und war dankbar, dass die Konstrukteure dieses Dings daran gedacht hatten, eine sich selbst entfaltende Überdachung mit ein zu planen. In dem versenkbaren Mittelteil war eine Luke eingebaut, die man öffnen konnte, wenn man einen versenkten Ring aus Eisen herauszog und nach links drehte. Caio sah in die Vertiefung und fand dort wie erwartet, einen Erste Hilfe Kasten, Plastikkanister mit Trinkwasser und Plastikbehälter mit getrockneten Lebensmitteln. Dann gab es da noch eine Leuchtpistole, einen Werkzeugsatz und ein Bedienhandbuch für… Caio überflog die Überschrift, für den Funkschwimmer. Er tastete blindlings in der Vertiefung herum und fand ein kaltes, kleines Päckchen, das sich weich anfühlte. Er zog es heraus und kicherte. Dieser alte Hurensohn hatte nicht gelogen. Das, was er da in der Hand hielt, waren drei Kilo Kokain in Plastik geschweißt. Staubzucker würde es wohl nicht sein.
Caio sah verdatterte über den gelben Wulst der Rettungsinsel hinaus zum stillen Wasser des Ozeans. ‚Ach du grüne Neune, heiliger abgefickter Pferdearsch. Drei Kilo Kokain. Das wird ne verdammt lange Party!’
Caio legte sich auf den Bauch und zog einen Kanister Wasser hervor. Er riss den Hygieneverschluss auf und schraubte den Kanister auf. Dann trank er in langen, gierigen Schlucken. Das tat gut. Er fühlte sich gleich noch besser.
Inzwischen war die Rettungsinsel soweit von der Absturzstelle entfernt, dass er nur noch Ozean um sich sah. Die Luft schien diesig zu sein, denn er konnte keine Trennlinie mehr zwischen Wasser und Himmel ausmachen. Es war einfach ein Farbverlauf von dunkelblau nach pastell und dann nach hellblau. Das irritierte Caio nachhaltig und er beschloss, zunächst diese Konturenlosigkeit außer Acht zu lassen. Gerade, als er sich fragte, was er nun wohl als nächstes tun könnte, oder sollte, sah er im Augenwinkel ein flamingofarbenes Aufbäumen von Licht. Caio fuhr herum und starrte in die Richtung, in der er diesen Blitz gesehen hatte. Aber da war nichts. Nur eine ruhige See, die nahtlos in den Himmel überging.
Er sackte zusammen und schlang die Arme um die angezogenen Knie. Dann murmelte er: „Das wird nicht nur eine lange Party. Das wird die beschissen langweiligste Party, die es jemals gegeben hat.“

...könnte fortgesetzt werden...

dopamin86 Offline

Supermoderator

Beiträge: 389

07.03.2005 22:36
#2 RE:CAIO - Absturz Antworten

Hallo Peter!

Ich muss sagen, dass du eine sehr schöne Geschichte verfasst hast. Deine detailierten Beschreibungen sind für mich als detailverliebter Leser ein wahrer Hochgenuss. Wie deine anderen Kurzgeschichten, die ich bisher lesen durfte, spricht mich auch diese an und ich freue mich auf eine baldige Fortsetzung.

Trotz aller Lobhudelei sind mir einige, allerdings wenige, Fehler aufgefallen. So zum Beispiel der Name jener Insel im Atlantik. Es muss heißen Fuerteventura.

Weitere Fehler habe ich mir jetzt nicht gemerkt und es würde recht wenig Sinn machen sie jetzt zu suchen, da ich dafür Stunden brauchen würde, aber ich gehe davon aus, dass ein Großteil dieser Fehler Tippfehler sind. Eventuell könntest du deine Geschichte in Word reinkopieren und das Rechtschreibprogramm durchlaufen lassen.

Wie gesagt, dir ist eine sehr gute Geschichte gelungen, die durch seine hevorragenden Beschreibungen und der bildlichen Sprach in Kombination mit diversen Vergleichen zu begeistern in der Lage ist.

Besonders schön fand ich die Beschreibung des zerfetzten Gesichts von Tomas, da du jenen Zustand sehr detail- und bildreich beschreiben konntest. Deshalb mochte ich auch deine sehr ironische Briefkurzgeschichte. Falls du damit jetzt nichts anfangen können solltest, ich glaube der weißhaarige Herr hieß Schmidt.

Gruß
dopamin
_______________________________________
Ich sage grundsätzlich ehrlich und direkt meine Meinung. Wer damit Probleme haben sollte, hat ein Problem.

Kritiken jedweder Art sind ausdrücklich erwünscht.

nathschlaeger Offline

Letterntheoretiker

Beiträge: 38

08.03.2005 08:01
#3 RE:CAIO - Absturz Antworten

Servus,

Tatsächlich habe ich den Text mit Star Office verfasst und die Rechtschreibkontrolle an. Normalerweise entgehen mir keine roten Wellenlinien :-) Aber ich gehe gern nochmal drüber. Es stimmt schon, dass ich mir bestimmte Freiheiten bei der Grammatik nehme, ohne sie dabei zu beugen. Aber wie gesagt; ich geh da nochmal drüber. Man will sich ja keine Blöße geben :-) Fuerteventura hab ich ausgebessert. Das sind halt die ollen Legasthenikerfehler, die mir immer noch nachhumpeln.
CAIO - Absturz, ist das erste Kapitel eines Romans, an dem ich gerade schreibe. Allerdings entwickelt sich die Geschichte ab Caios Landung auf dem Atlantik in eine ganz andere Richtung, als der Absturz vermuten lässt. Es wird eine Hommage an Stanislaw Lems: Solaris.

lg/Peter

dopamin86 Offline

Supermoderator

Beiträge: 389

08.03.2005 14:19
#4 RE:CAIO - Absturz Antworten

Hm, klingt sehr interessant, wobei ich es mir schwer umsetzbar vorstelle den Atlantik plötzlich als Biomasse erscheinen zu lassen. Ich bin sehr gespannt auf die weiteren Kapitel deines Romans. Ich werde auf alle Fälle als Leser treu ergeben bleiben.

Gruß
dopamin
_______________________________________
Ich sage grundsätzlich ehrlich und direkt meine Meinung. Wer damit Probleme haben sollte, hat ein Problem.

Kritiken jedweder Art sind ausdrücklich erwünscht.

Linespur Offline

Supermoderator

Beiträge: 321

08.03.2005 14:40
#5 RE:CAIO - Absturz Antworten

Hallo nathschlaeger,

tatsächlich einen atemraubenden Einstieg lieferst Du hier für Deinen Roman. Auch mir gefällt vieles sehr gut.

Mancher Satzbau ist eigenwillig und in meinen Augen fast zu lang geraten. Da häufen sich Informationen auf, ohne dass das Satzende noch wirklich zum Anfang zu gehören scheint. Allerdings kann man dennoch folgen, so dass ich das als Deine "Eigenwilligkeit" nicht wirklich ankreiden will.

Die tückischen Rechtschreibfehler sind solche: ". Ihm viel nicht ein, zu welcher Serie sie gehörte, war aber sicher, dass es die Titelmelodie einer Fernsehserie war." Die findet auch Dein Staroffice nicht. Insofern würde ich Dir raten, vor einer professionellen Veröffentlichung es Korrektur lesen zu lassen, so Du tatsächlich damit Probleme hast. Mir sind allerdings eigentlich nur ein paar unpassende Wortzusammensetzungen und halt das wohl beabsichtigte Umgangssprachliche aufgefallen.

Inhaltlich ist für mich ein Übergang fragwürdig: Ciao wird ohnmächtig, als er mit der Rettungsinsel in's Meer stürzt. Dann beschreibst Du das Hinabfallen weiterer Flugzeugteile, während das Flugzeug selbst bereits abgestürzt sein soll und Ciao - der als einziger Beobachter dieser Vorgänge in Frage kommt, liegt nun nicht ohnmächtig, aber immerhin mit geschlossenen Augen dort... Die Stelle scheint mir in der Abfolge ein wenig durcheinander geraten?

Dass ein Mensch in dem Chaos des Absturzes, so wie Du ihn beschreibst, sicher auf zwei Beinen steht, wage ich ein wenig zu bezweifeln. In Anbetracht der von Dir beschriebenen Verletzungen grenzt es an ein Wunder, aber die geschehen wohl in solchen Ausnahmesituationen, schmunzel.

Hm, technisch kenne ich mich kaum aus, finde aber die Beschreibung der Art und Weise, wie diese Rettungsinsel "abgesprengt" wird, verwunderlich: Was wäre, wenn sich dort mehr als ein Mensch hinretten sollte? Risse ein solch mitfallendes Metallteil nicht doch Löcher in diese? Wieso versuchen die Piloten selbst nicht, ihr Leben zu retten?

Eigentlich und letztendlich muss ich aber zugeben, dass mir diese Kleinigkeiten ganz egal sind, solange ich nur bald die Fortsetzung lesen darf.

Somit gespannt und mit lieben Grüßen
Nina

nathschlaeger Offline

Letterntheoretiker

Beiträge: 38

08.03.2005 18:10
#6 RE:CAIO - Absturz Antworten

Hallo,

Vielen Dank für die informativen Kommentare. Der Roman, aus dem ich diesen Abschnitt (1. Kapitel) entnommen habe, ist noch nicht mal im Rohentwurf fertig. Tatsächlich schreibe ich gerade das letzte Drittel fertig. In der Regel halte ich es so, dass ich ein fertiges Script einen Monat auf Eis lege und mich in dieser Zeit um anderes kümmere - dann mache ich mich über Korrekturen her. Wie zum Beispiel die grammatischen Fehler, die logischen, die inhaltlichen Fehler. In erster Linie geht es mir im ersten Schritt darum, die Geschichte fertig zu erzählen; da komme ich oft kaum hinterher. Ich fand den Anfang, also den Absturz und Caios überleben für schlüssig genug, um als Kurzgeschichte durchzugehen, die ein offenes Ende hat.
Die logischen "Fehler", wie das Absprengen der Luke, seine geringfügigen Verletzungen, all das erklärt sich im Verlauf der Geschichte, die auf ihn wartet.
Ich will an dieser Stelle nicht zuviel verraten, weil ich nicht eine der Pointen verraten will, aber soviel kann ich schon sagen: Caio glaubt nur, dass er Caio ist. Und er glaubt auch nur, einen Absturz überlebt zu haben. Und er glaubt auch nur, im Atlantik auf einer Rettungsinsel zu schwimmen. Nichts davon ist wahr, denn die Wahrheit ist viel, viel größer. Es ist dennoch keine Matrix Geschichte (Obwohl ich keine Hemmungen hätte, mich dieser Grundthematik zu widmen), es ist viel existenzieller... wenn es mir gelingt, dies alles schlüssig zu notieren.

Das Buch ist - in der geplanten Reihenfolge der Veröffentlichungen sowieso erst für Herbst 2007 vorgesehen. Bis dahin baue ich über andere Romane, die bereits für Veröffentlichungen geplant sind, Nebenfiguren und Schauplätze auf, die sich dann - wie ich hoffe - geschmeidig in das Gesamtgefüge einbringen.

Ich versuche da, eine Sci-Fi Geschichte im Sinne von Ray Bradbury zu schreiben; eine Geschichte also, in der nicht Technik oder naturwissenschaftliche Möglichkeiten die Handlung diktieren, sondern das Leben selbst und die Fragen, die das Leben an sich selbst und an seinen Schöpfer stellen könnte. Technik und Naturwissenschaft sind hier nur Beiwerk. Und das nicht, weil ich es einfach nicht besser weiß sondern einfach drauf los fabuliere, sondern weil ich schon immer gerne Geschichten über Menschen (Über das Leben) schrieb, dass sich der "unanswered question" verschrieb oder verschreibt.

Die nächsten Kapitel befassen sich eher mit Caios Erinnerungen und seiner aktuellen Lage und wie er versucht, auf einen grünen Zweig zu kommen. Im Zuge der weiteren Handlungen stellt sich die Konsistenz des Meeres als sehr eigenwillig heraus und am Himmel erscheint ein zweiter Mond.

Ach, soviel geht noch: In der Folge erstarrt das Meer zu einer harten Masse, auf der Caio gehen kann. Er verlässt die Insel und findet nach stundenlanger Wanderung eine Treppe, die steil nach unten führt; in den erstarrten Ozean.

lg/Peter

«« Syd
 Sprung  
Bitte unter www.dichterplanet.com neu anmelden!!!

Liebe Mitglieder von Dichterplanet.de.vu.
Dieses Forum dient nur noch als Archiv, von daher bitten wir euch, nicht weiterhin hier zu posten,
da eure Beiträge so schnell keiner mehr lesen würde. Meldet euch bitte auf dem neuen Forum an -
Link findet ihr oben oder klickt auf das Dichterplanet-Banner! Danke!

MFG, Euer Team von Dichterplanet.com / Dichterplanet.de.vu


Xobor Erstelle ein eigenes Forum mit Xobor
Datenschutz