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Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 607 mal aufgerufen
 Kurzgeschichten
Linespur Offline

Supermoderator

Beiträge: 321

12.03.2005 13:16
Syd Antworten

Als ich Syd zurück auf ihre Insel brachte, erhoffte ich mir so viel. Doch es blieb die Traurigkeit in ihren Augen und der Zug von Schmerz um den Mund. Nachts schrie sie mit einer Stimme, die ich nicht kannte, Boshaftigkeiten in die Dunkelheit. Tags, wenn ich ihren Rollstuhl mit Mühe zu den Klippen gewuchtet hatte, wehte ihr einstmals so herrliches Haar kraftlos im Wind. Die Augen hielt sie geschlossen und nur die Nase zeigte zuckend, wie sehr sie den so geliebten Seewind genoss.

Syd hätte nie in die Stadt ziehen dürfen, denke ich manchmal. Doch trieb es sie hinaus in dies Leben, dass sie letztendlich mir nahm. Als ich sie das erste Mal sah, raubte mir ihre Schönheit den Atem. Sie stand inmitten dieses zigarettenrauchverhangenen Kellers und strahlte Leben aus. Damals umringten sie bewundernde Blicke, später trieben ihr genau jene Männer die Fäuste in den Leib.

Wenn ich sie in jenen letzten Tagen badete, hielt ich ihr zärtlich den Kopf über der Wasseroberfläche. Nur im Fieber regte sich ihr Körper noch heftig, sonst verhielt er starr in sich verkrümmt. Das Weiße ihrer Augen wurde allmählich gelblich und matt überzog die Pupille ein klebriger Film. Sie hasste die Windeln und ihre Arglosigkeit versank in Wut. Doch weinen sah ich sie nie. Auch damals nicht, als sie zerschunden von Eddy heimkam.

Wir wohnten drei Jahre zusammen in der Ein-Zimmer-Wohnung in Sankt Georg. Nächtelang hat sie mir von ihrer Insel erzählt und ich spann Märchen vom Leben. Sie war voller Sehnsucht nach ihrer Heimat, doch zog sie den Rückweg nicht in Erwägung. Erst als sie krank wurde, gab sie die störrische Haltung auf.

Wenn ich Syd mit Drogen erwischte, lachte sie und ließ mich sie in der Toilette fortspülen. Ich wusste dennoch, dass sie am nächsten Tag wieder für Nachschub sorgen würde. „Wie sonst soll ich die schmierigen Kerle ertragen?“ Manchmal helfen keine Worte, auch nicht die heftigen. Sie entglitt mir an jedem Tag ein wenig mehr.

Syd hatte ein bezauberndes Lachen. Es gluckste in ihr hoch und zerplatzte dann in ihrem Gesicht wie bunte Seifenblasen. Kein Unglück schien dieses Lachen zu nehmen, doch dann zerfraß es das Fieber. Als ich den ersten schwarzen Fleck auf ihrem Rücken entdeckte, zuckte sie einfach mit den Schultern. „Es wird halt Zeit“, meinte sie.

In Sankt Georg haben wir drei Weihnachtsfeste verlebt. Nur an einem war Syd daheim; Damals kaufte ich eine Tanne und blaue Glaskugeln, die sie so sehr liebte. Als ich ihr die Weihnachtsgeschichte vorlas, verließ sie der Stolz. Sie erzählte mir von ihrem Vater. Ich wünschte mir, er hätte ein wenig länger für Syd gesorgt, doch er starb, als sie vier war. Wir haben nie wieder über ihn gesprochen.

Manchmal schüttelte ihr Husten den haltlos gewordenen Körper. Dann stieg meine Angst und ich legte ihr heiße, feuchte Lappen auf die Brust. Die Ruhe der Tage zerstob in lauten Nächten, doch ihr Schrei erreichte nicht mehr die, die es anging. Nur ich hörte ihre Flüche und ihr Keuchen. Ich liebte Syd mit all meiner Kraft, doch schien sie es nicht mehr zu merken.

Der Arzt schüttelte hilflos den Kopf: „Wir haben versucht, was wir konnten. Was bleibt, ist der Tod.“ Da sagte ich ihm, dass wir fort auf die Insel fahren würden. Wir fuhren entgegen seinem Rat.

Syd atmete die Welt und die Welt sog sie auf. So war das wohl damals. Wir waren vertraut doch sie war stets allein. Ihre Haut war so weich und schimmernd. Später überzogen blaue Flecken den Körper, dann sammelte sich letztendlich der Schorf in den Falten. Für mich war sie immer noch schön. Manchmal, wenn sie nicht schlafen konnte, summte ich ihr ein Lied. Nur selten konnte später meine Sehnsucht ihr Lächeln zurückholen; aber auch diese Momente gab es noch.

Ich habe Syd begraben, wie sie es wollte: Am Kliff tief in der Erde und Steine häufen sich auf dieser Stelle. Kein Holzkreuz ziert diesen Ort. Aber stets finden die Möwen dort Frischfisch, den sie gierig aufpicken. So war einst Syd und nun bin nur ich.

Vermilion Offline

Letterntheoretiker


Beiträge: 18

12.03.2005 16:46
#2 RE:Syd Antworten

Fangen wir mal so an...zweifelsohne gäbe es sprachliche Dinge, die noch zu verbessern wären.
Zweifelsohne wird nicht jeder Zusammenhang für jeden Leser so ohne weiteres ersichtlich sein

(z.B. was ist Syd "beruflich" und wie darf man das mit "Damals umringten sie bewundernde Blicke, später trieben ihr genau jene Männer die Fäuste in den Leib. " verstehen ? )

Und zweifelsohne spielen diese Mängel eine bestenfalls marginale Rolle. Sieht man von den kleinen Schwächen ab, offenbart sich dem Leser ein traurig schönes, erfrischend einfach gehaltenes Werk, dass durch die Tatsache, dass eben nicht alles ganz perfekt ist und keine hochtrabende Sprache verwendet wird, eher noch an Charme gewinnt.

Besonders gut gefällt mir die fragmentarische Erzählweise, die wirklich den Eindruck aufkommen lässt, als erinnere sich der Protagonist, ungeordnet wie menschliche Gedanken nunmal sind, an sein Leben mit Syd.

"Syd" kriegt definitiv den Doppeldaumen von mir.

Trotzdem aber jetzt wirklich noch 2 kleine Hinweise:

a) Ist eine subjektive Einschätzung, aber ich weiß nicht ob der Satz "Später überzogen blaue Flecken den Körper, dann sammelte sich letztendlich der Schorf in den Falten" unbedingt so glücklich gewählt ist. Die Absicht ( im Zusammenspiel mit dem darauf folgendenden Satz ) ist zwar gut, aber die Sache mit dem Schorf hat zumindest in meiner Lesestimmung einen kleinen Knick bewirkt; bis dato hatte ich zwar eine sukzessive verfallende Frau vor Augen gehabt, aber das immer noch mit einem Hauch Ästhetik ( auch wenn es nur die Ästhetik der traurigen Grundstimmung sein mag), dieses wandelte sich dann aufgrund o.g. Beschreibung schnell in ein kurzes "Irks", was meiner Meinung nach dem restlichen Grundtenor der Story mehr im Wege steht als es wirklich hilft.

b) Vielleicht solltest du dir den Endabschnitt nochmal besehen, einerseits hinsichtlich der Interpunktion ( es ist teilweise schwer den korrekten Sinnzusammenhang innerhalb einzelner Sätze zu entdecken ) und andererseits bezüglich der allgemeinen Gestaltung. So wie ich das sehe kann der Abschluss leider nicht das doch relativ hohe Niveau der Geschichte halten, da kann man sicher noch mehr an Wirkung rausquetschen.
_____________________________
Benachteiligung von Andersartigen, Hohn, ziel- und zügellose Lästerei, Unterdrückung von Schwächeren , Rufmord, Gewalt - sofern sie nicht als reaktives Element auf bereits begangene Untaten erfolgt - das sind Charakteristika jenes Menschenschlages, deren gesamter Habitus und Terminologie nur eine Form der Interaktion möglich macht - in der Ecke sitzend, mit dem Gewehr wartend

Linespur Offline

Supermoderator

Beiträge: 321

15.03.2005 07:54
#3 RE:Syd Antworten

Hallo Vermilion,

vielen Dank für Dein aufmerksames Lesen und die gegebenen Hinweise. Sicherlich sollte ich mich noch um einige Korrekturen bemühen - wo ich ansetzen könnte, weiss ich dank Dir ja nun. So verspreche ich mir die Tage dafür einmal Zeit zu nehmen.
Dein "Irks" tut mir leid, doch da Du die Absicht schon erkannt hast, wird das wohl bleiben... Es sollte nicht bei dem schönen, "ehrbaren" Verfall bleiben, da es ein hässliches Dahinsterben war, wie es halt manchmal geschieht. Eventuell ist es aber gar nicht der Inhalt, sondern die Art der Formulierung, die Deine Reaktion hervorruft. Vielleicht kann ich ja doch daran etwas ändern?

Thx und liebe Grüße
Nina

dopamin86 Offline

Supermoderator

Beiträge: 389

15.03.2005 11:38
#4 RE:Syd Antworten

In Antwort auf:
Fangen wir mal so an...zweifelsohne gäbe es sprachliche Dinge, die noch zu verbessern wären.
Zweifelsohne wird nicht jeder Zusammenhang für jeden Leser so ohne weiteres ersichtlich sein

(z.B. was ist Syd "beruflich" und wie darf man das mit "Damals umringten sie bewundernde Blicke, später trieben ihr genau jene Männer die Fäuste in den Leib. " verstehen ? )

Und zweifelsohne spielen diese Mängel eine bestenfalls marginale Rolle. Sieht man von den kleinen Schwächen ab, offenbart sich dem Leser ein traurig schönes, erfrischend einfach gehaltenes Werk, dass durch die Tatsache, dass eben nicht alles ganz perfekt ist und keine hochtrabende Sprache verwendet wird, eher noch an Charme gewinnt.

Besonders gut gefällt mir die fragmentarische Erzählweise, die wirklich den Eindruck aufkommen lässt, als erinnere sich der Protagonist, ungeordnet wie menschliche Gedanken nunmal sind, an sein Leben mit Syd.

"Syd" kriegt definitiv den Doppeldaumen von mir.


Ich kann mich da zweifelsohne MilliVanilli anschließen. Sicherlich könnte man eine hochwertigere Sprache verwenden, aber diese würde das schöne Drumherum zerstören.

Dir ist da eine schaurig schöne Geschichte gelungen, auch wenn diese Thematik nicht ganz mein Fall ist, aber da dies Werk von dir verfasst wurde, waren meine Ängste wie weggeblasen hier ein öde Schnulze lesen zu müssen.

Allerdings gibt es ein Detail, dass ich bemerkenswert fand. Du schreibst aus der Sicht eines Mannes. Ich frage mich, ob das so einfach ist eine interessante Handlung in der Sichtweise eines Mannes als Frau zu verfassen.

Gruß
dopamin
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Ich sage grundsätzlich ehrlich und direkt meine Meinung. Wer damit Probleme haben sollte, hat ein Problem.

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