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Dieses Thema hat 7 Antworten
und wurde 701 mal aufgerufen
 Dunkelgrau
Paradiesvogel Offline

Anklangstechniker


Beiträge: 60

12.02.2005 21:38
sinnentleert und traumertrunken Antworten

Ungesattelt, ohne Zäumung
bäumte sich mein Wesen auf.
setzte kühn durch kalte Bäche,
pure Stärke, keine Schwäche.
Stets im Takt der eignen Sprünge
jagte ich die Hügel rauf.

Stolzverziert und ohne Taumel
sah ich dort die Wolken ziehn.
Ohne Zweifel an das Leben -
wollt das höchste Glück erstreben -
gönnte niemals mir die Ruhe -
wollte nur dem Stand entfliehn.

Grob geschwächt, doch ewig kämpfend,
ließ ich Angst und Trauer stehn.
In der Hoffnung, dass die Zeiten,
weiterhin mir Glück bereiten
gab ich auf und ließ mich führen,
ohne Halt, bereit zu gehn.

Sinnentleert und traumertrunken,
steh ich heut gefesselt hier.
Müdes Heben meiner Lider,
keine Regung meiner Glieder,
hab das Leben schon verlassen -
längst verstarb mein Pionier.
"Wer nicht ab und zu das Gefühl hat, seine Worte könnten die Welt aus den Angeln heben, der sollte die Finger vom Dichten lassen." (Werner Mitsch)

MasterAdaM Offline

Admin - Berater


Beiträge: 176

10.03.2005 19:28
#2 RE:sinnentleert und traumertrunken Antworten

Hallo Littleshine,

Altbekanntes wieder aufgearbeitet (ich hasse Null-Replythreads ^^):

1.) Formalanalyse

1.1.) Ersteindruck:
Strophenblöcke! Rette sich wer kann!!! Das Problem der Sextetten ist und bleibt die richtig pralle Erscheinung, die meist vermuten lässt, dass der Schreiberling einfach viel Platz braucht, um möglichst viel Inhalt komprimiert darstellen zu können. Allerdings ist und bleibt der Ersteindruck eine recht subjektive Angelegenheit, ich bin einfach viel zu sehr die traditionellen 4x4-Formen gewohnt.

1.2.) Äußere Darstellung:
4 Sextetten... hmmm, das ist schon starker Tobak, da man diese Form in Lyrikforen recht selten sieht. Aber irgendwie macht es von der äußeren Darstellung einen interessanten Eindruck, aufgrund einer ungewöhnlich stabilen Länge der Zeilenlänge. Daran sind schon viele Onlinelyriker (mir inklusive) gescheitert. Das Reimschema X-A-B-B-C-A ist auch eine sehr innovative Variante, die ich noch nie gesehen habe und dem Werk eine gewisse Originalität verleiht. Die Reime sind vom Klangbild her in Ordnung, nur es hat sich der "Leben"-"Streben"-Reim eingeschlichen, der meiner Meinung nach inzwischen auch zu der etwas zu einfachen Variante gehört. Dennoch ist die äußere Darstellung mal ganz was anderes und machte trotz dem merkwürdigen Ersteindruck Spaß.

1.3.) Lesefluss:
Meine mir liebste Stelle der Formanalyse, wie du weißt. Schauen wir mal nach den Silbenzahlen und versuchen zu erklären, warum onóno bei seiner Analyse keine Stolpersteinchen erkennen konnte.

Strophe 1: 8-7-8-8-8-7
Im Sinne der Reimfolge ist der Wechsel zwischen der 7- und 8-Silbigkeit nachvollziehbar und macht eine ziemlich solide Metrik, wobei besonders auffällig bei Vers 4, dem zweiten Vers im Paarreim.

Strophe 2: 8-7-8-8-8-7
Die Kontinuität in dem Vers- und Silbenschema ist bereits ab Strophe 2 absolut bewundernswert. Das Klangbild und der Lesefluss sind mit Strophe 1 vollkommen identisch. Hut ab.

Strophe 3: 8-7-8-8-8-7
Ich denke, ich muss keine weiteren Worte mehr verlieren. Die Einheitlichkeit ist unglaublich.

Strophe 4: 8-7-8-8-8-7
Unter dem Aspekt Lesefluss wird dir hier niemand etwas vormachen können. Es ist und bleibt perfekt!

2.) Inhaltsanalyse
Ausgehend von der eigentlich perfekten Form, kann man sicherlich auch inhaltlich einiges erwarten. Die Bilder, die du bietest, machen dem Leser auf Anhieb schon klar, worauf der Titel hinaus will. In Strophe 1 begleitet man das Lyrische Ich auf einer kleinen Reise in die utopische Freiheit der eigenen Traumwelt, losgelöst von den Ketten der Realität. Du beschreibst ein Bild einer regelrechten Ungezügeltheit - erinnert mich an deine Ausführungen vom Reiten, zumindest kann ich diese hier deutlich erkennen. Strophe 2 zeigt dem Leser andeutungsweise die Wünsche des Lyrischen Ichs nach Freiheit und Losgelöstheit. Der letzte Vers bestätigt den Eindruck auf ziemlich deutliche Weise. Strophe 3 hat nach dem sehr positiven Eindruck von 1 und 2 jedoch eine sehr beklemmende Atmosphäre. Das Lyrische Ich redet vom "Aufgeben" im Sinne von Freiheit, jedoch beschreibt das Fehlen von "Halt" eine recht deutliche Unsicherheit. Das könnte möglicherweise daran liegen, dass der Mensch bereits so in System gefangen ist, dass er mit seiner Freiheit gänzlich überfordert ist. Deswegen sind uns Träume nach dem Erwachen oft ein Greuel. Strophe 4 ist von der beschreibenden Mentalität total geprägt von Düsternis und Selbstaufgabe, die den Leser (sollte er die Fähigkeit besitzen, sich in das Lyrische Ich hineinzuversetzen) enttäuscht aufseufzen lässt. Die letzte Zeile gibt aufgrund seiner Direktheit dem Gedicht ein sehr abprubtes negatives Ende. Doch so ist es stets, wenn ein Mensch aus seinem Träumen erwacht.

3.) Fazit
Mit "Sinnentleert und Traumertrunken" zeigst du, werte Littleshine eine künstlerische Fähigkeit, die vieles was ich bereits gelesen habe, übersteigt. Formal ein echtes Meisterwerk, inhaltlich mit einer wundervollen Bildsprache und jeder Menge mentaler Tiefe. Das hier ist ein Werk von dir, das in den Gefilden der Lyrikritter bereits seines Gleichen sucht und ganz gewiss noch lange erfolglos bleiben wird. Ein formidables Stück, gratulation.

Liebe Grüße,
Benne|MasterAdaM

Paradiesvogel Offline

Anklangstechniker


Beiträge: 60

23.03.2005 17:20
#3 RE:sinnentleert und traumertrunken Antworten

Hallo mein liebes Sternchen.

Zu meiner Schande habe ich deine Analyse gerade erst gefunden. Entschuldige.

Zur Form: Im Nachhinein habe ich ncoh des öfteren versucht, in die letzte oder die letzten beiden Strophen einen Metrikwechsel zu bringen. Leider ist man immer erst nachher so schlau, daran zu denken und so bin ich daran gescheitert. Ich bin also trotz deines Lobes nicht hundertprozentig überzeugt von diesem Werk. Dennoch muss ich ohne wenn und aber eingestehen, dass es auch mein liebstes ist. Dass es dein Lieblingsstück aus meiner Sammlung ist, wusste ich ja bereits und es freut mich immer wieder. Das dich die Strophenblöcke abschrecken, tut mir Leid, aber ich fand es einfach zu reizvoll, mal damit zu arbeiten ;)

Zum Inhalt: Auch hier warst du sehr passend. Viel fehlzuinterpretieren gibt es ja an dieser Stelle nicht, nur über die eigene Übertragung könnte man streiten. Meine Intention kennst du bereits. ;)

Danke für deine 2. ausführliche Analyse zu diesem Werk.
Lieben Gruß,
dein Shinchen ;)

Beteigeuze Offline

Letterntheoretiker


Beiträge: 17

24.03.2005 08:39
#4 RE:sinnentleert und traumertrunken Antworten

Hallo, Paradiesvogel!

Wie mein Vorkommentator schon sagte, ist es von der Form her - rhythmisch und reimtechnisch - vollauf gelungen. Auch inhaltlich und von der Wort- und Metaphernwahl passt, meiner Meinung nach, alles. Zwar erreicht es mich persönlich von diesem Aspekt her nicht so, aber man kann ja trotzdem anerkennen, wenn etwas anständig gemacht wurde

Ansonsten finde ich gerade lange Werke und nicht herkömmliche Reimmuster spannend - da dürfen auch unreine Reime oder Assonanzen mal sein -, denn im Gegensatz zu den Lyrikern, denen es nicht dicht und kurz genug sein kann, schwelge ich auch lieber in Bildern und Melodie. Okay, es gibt Themen, die sollte man eher knapp bearbeiten, aber speziell bei diesem meine ich, dass die Länge genau passt (soo lang ist's ja auch gar nicht).

Lieber Gruß

Beteigeuze
________________________________________

Geh aufrecht wie die Bäume,
lebe Dein Leben so stark wie die Berge,
sei sanft wie der Frühlingswind,
bewahre die Wärme der Sonne im Herzen
und der große Geist wird immer mit Dir sein.
- Weisheit der Navajo -

winni Offline

Versingenieur

Beiträge: 174

24.03.2005 10:21
#5 RE:sinnentleert und traumertrunken Antworten

Paradiesvogel, guten Morgen von winni. Die `Vorredner´ haben zu dem was metrisch oder wie auch immer zu verändern wäre, bereits alles gesagt. Ich würde sagen, ein Wort mehr oder auch weniger, könnte die Form verbessern!

Mich hat der Inhalt begeistert, gleich edlem Metall in die Form einer Glocke gegossen ...
Hier stellt sich Dein Leben dar und Dein Resumee es anders gehabt haben zu wollen, aber auch, daß Du mit ihm fertig geworden bist (?) !

Prima, hat mir sehr gefallen!
Liebe Grüsse,

winni

Paradiesvogel Offline

Anklangstechniker


Beiträge: 60

01.04.2005 23:39
#6 RE:sinnentleert und traumertrunken Antworten

Hallo ihr Beiden,

danke für das LOb und das es euch gefällt :)

@Winni: Es muss ja nicht zwingend mein Leben darstellen, auch wenn ich zugeben muss, dass es recht naheliegend ist.

Lieben Gruß,
Paradiesvogel

Linespur Offline

Supermoderator

Beiträge: 321

04.04.2005 15:41
#7 RE:sinnentleert und traumertrunken Antworten

Hallo Little,

das Reimschema ist mir recht vertraut, das Gedicht über die Zeit nun auch. Da Du weisst, dass es mir gefällt, hier kurz ein paar Punkte, die ich nicht so sehr mag:

Bei Auslassungen verzichtest Du auf die Apostrophe - meiner Ansicht nach solltest Du sie setzen, da Deine fehlenden Vokale metrisch notwendig, aber wissentlich gesetzt wurden.

Das doppelte "wollt/wollte" in Strophe zwei wirkt ein wenig einfaltslos auf mich.

"Dem Stand entfliehen" ist mir zu stark gekürzt - man kann nur vor dem Stillstand flüchten und für dies "Still" solltest Du Platz in Deinen Silben zu schaffen vermögen. Ein Stand ist zu Mittelalterlich in seiner Bedeutung?

Wozu im dritten Vers die Elision bei "stehn/gehn"? Schreib doch beide Worte einfach vollständig aus mit stehen/gehen?

Letzte Strophe: Von wem wurde das "Revier gestohlen"? Von diesem/den Dritten war bisher nicht die Rede. Und genau das lässt das Gedicht offen: Was geschah, dass diese Wendung dem lyr.Ich gab?

Kritikpunkte, die allesamt klein sind. Denn - ich wiederhole mich - das Gedicht ist sehr gelungen und vermag mich genauso zu fesseln, wie meine Vorredner. Aber ich bemühte mich dennoch, Dir noch ein paar Denkanstösse zu geben...

Lieben Gruss
Nina

Paradiesvogel Offline

Anklangstechniker


Beiträge: 60

17.04.2005 19:20
#8 RE:sinnentleert und traumertrunken Antworten

Hallo Linespur,

In Antwort auf:
Bei Auslassungen verzichtest Du auf die Apostrophe - meiner Ansicht nach solltest Du sie setzen, da Deine fehlenden Vokale metrisch notwendig, aber wissentlich gesetzt wurden.

Nun, ich habe nochmal im Duden nachgeschlagen. Laut diesem sind die Apostrophe nicht zwingend und da ich ein eitler Mensch bin, möchte ich meinen Zeilen dass auch des Aussehens wegen ersparen.

In Antwort auf:
Das doppelte "wollt/wollte" in Strophe zwei wirkt ein wenig einfaltslos auf mich.

Mag sein, aber ich werde es nun nicht mehr ändern. Dies wurde bisher von niemandem bemängelt, daher lsse ich es so stehen.

In Antwort auf:
"Dem Stand entfliehen" ist mir zu stark gekürzt - man kann nur vor dem Stillstand flüchten und für dies "Still" solltest Du Platz in Deinen Silben zu schaffen vermögen. Ein Stand ist zu Mittelalterlich in seiner Bedeutung?

Ich wollte mir hier die Doppeldeutigkeit erhalten. Auch dies wird so stehen bleiben, weil ich es gelungen finde... Ich mag keine Gedichte, wo gleich alles klar ist ;)

In Antwort auf:
Wozu im dritten Vers die Elision bei "stehn/gehn"? Schreib doch beide Worte einfach vollständig aus mit stehen/gehen?

Weil sonst das von Benne so angepriesene Silbenschema durcheinander geraten würde, da gehen/stehen eine Silbe mehr als stehn/gehn hat.

In Antwort auf:
Letzte Strophe: Von wem wurde das "Revier gestohlen"? Von diesem/den Dritten war bisher nicht die Rede. Und genau das lässt das Gedicht offen: Was geschah, dass diese Wendung dem lyr.Ich gab?

Hier hast du Recht - ich habe mir zwar durchaus etwas dabei gedacht, aber offensichtlich war meine Intention nicht klar genug. Hier habe ich es nochmal geändert und hoffe, dass eds jetzt besser gefällt :)

Danke für deine Beschäftigung mit meinem Gedicht.

Lieben Gruß,
Paradiesvogel

 Sprung  
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