Hi Satchmo,
ein älteres Gedicht von Dir und ein ebenso älterer Interpretationsansatz meinerseits, den ich nun noch einmal aus gegebenen Anlass hinterfragen und überarbeiten kann; schmunzel.
Scheibentropfen auf Salz
Atem streicht und Laub
Splitter saugen, stechen
XxXxxX
XxXxX
XxXxXx
Bei den Scheibentropfen habe ich sofort an eine wassergekühlte Trennscheibe denken müssen. Da fliegen die Tropfen nur so, wenn man damit arbeitet. Ich nehme allerdings nicht, dass Du so was jemals in der Hand gehabt hast (grins) und lande somit bei den Fensterscheiben. Auch eine Fensterscheibe ist trennend. In Verbindung mit dem Salz könnten es Tränen sein. Die zweite Strophe gibt einen Hinweis dazu, denn der „streichende Atem“ nehme ich mir als Symbol für die Nähe und das „Laub“ für den Abschied. Ein bitterer Abschied, entnehme ich dann der letzten Zeile. Die „Splitter“ könnten Bruchteile der Beziehung sein, die schmerzen. Ist es ein Versuch, sie herauszusaugen, oder saugen sie am lyr. Ich? Jedenfalls sind sie gegenwärtig und schmerzlich – sie „stechen“. Es könnten auch boshafte Worte des verlassenden Partners sein, oder beider, im Streit gesagt.
Die Metrik überrascht in der ersten Zeile, es verleiht ihr einen etwas ungläubigen Unterton: „Tatsächlich Tränen?“ Dann wird es geregelter, klingt in Verbindung mit dem Inhalt jedoch recht hart. Auch das führt mich zu einer bösen Abschiedsszene.
Sanftmut dringt dort ein
Flaumstoff breitet aus
Schlag noch tiefer, ruhig
XxXxX
XxXxX
XxXxX
Für den Streit steht, dass plötzlich Sanftmut „eindringt“, also vorher keine da war. Das "dort" habe ich im ersten Ansatz übersehen. Dort, wo zuvor das Stechen zu spüren war, nehme ich an. Auch dies weist auf Streit und nun versönlichere Einstellung des lyr.Ich hin. Beim ersten Lesen trifft die dritte Zeile überraschend. Der „Flaumstoff“ wirkt für mich, wie bitterliche Abgestumpftheit. Dies würde erklären, warum das lyr. Ich bereit ist, weitere Schläge hinzunehmen. „Tiefer“ symbolisiert, dass bereits unfair verletzt wurde, gedemütigt. Das „ruhig“, bezieht es sich noch auf das Schlagen, oder ist es ein Appell? Es könnte auch dafür stehen, dass es plötzlich still wird, die Trennung vollzogen ist. Ruhe findet sich auch in der Metrik wieder.
Dazwischen schwarz erhellt
Etwas besingt den Pfeiler
Symmetrie verachst, rund
xXxXxX
XxxXxXx
XxXxXX
Mit dieser Strophe kann ich so gut wie gar nichts anfangen. Das lässt mich an meiner Auslegung der vorherigen natürlich zweifeln. Augen zu und durch:
Die erste und mit der letzten Zeile, Strophe vier zusammen, die einzigen beiden, die auftaktig beginnen. Für mich liest sich das fröhlicher, so dass das „erhellt“ das Ausschlag gebende Wort bleibt; der Hoffnungsschimmer. Der „Pfeiler“ könnte für den inneren Halt des lyr. Ich’s stehen. Ihn zu „besingen“ heißt, sich darüber zu freuen. Metrisch hupft es in der Zeile, was einem Tanzschritt ähnelt. Dass die „Symmetrie verachst“, ist offensichtlich ein allmählicher Prozess. Da eine Achse für mich grundsätzlich etwas Bewegliches ist, Symmetrie aber starr, find ich das Bild wunderschön und bin trotzdem recht sprachlos. Das lyr. Ich fühlt sich fest, doch beweglich? Auf jeden Fall geht es ihm gut, das sagt mir das „rund“. Auch jetzt noch stehe ich ein wenig hilflos davor und kann nur die Erstarkung, die innere Gefestigkeit des lyr.Ich's in dieser Strophe zum Ausdruck gebracht sehen...
Frei ziehen und weiter fort
Meldung nach Sehnsucht
Die Welt ist voller Morgen
XXxxXxX
XxxXx
xXxXxXx
Hier ist nun endlich die Trennung gänzlich vollzogen und der Blick nach vorn gerichtet. Die „Meldung nach Sehnsucht“ steht ebenfalls für die Befreiung. Das lyr.Ich meldet sich zurück zum Leben. Zur letzten Zeile bleibt dann wohl kaum was zu sagen. Sie ist einfach wunderschön. Den fröhlichen Klang ob des Auftaktes erwähnte ich ja schon.
Nein, ich finde keine andere Sichtweise, obwohl ich nun weiss, dass dies nicht Deine Intention war, diese Zeilen so zu Papier zu bringen. Tatsache ist, dass mir das Gedicht in dieser Interpretationsauslegung unverändert sehr zu gefallen vermag.
Liebe Grüße
Nina